Kotzblog

Bemerkenswertes & Schockierendes um mich herum

10. Oktober 2023
E-Fuels, Was ist dran? Sind E-Fuels unsere Zukunft oder ein Irrweg der Technokratie und der Lobbyisten?

E-Fuels, oder: glaubt der Papst an Gott?

Glaubt Volker Wissing an E-Fuels?

E-Fuels scheinen aktuell die Gottheit von Volker Wissing und seiner FDP zu sein.

Seit ich die Kirche verlassen habe, also, seit ich angefangen habe nachzufragen, stelle ich mir stets die Frage, ob der Papst wirklich an Gott glaubt. Das geschieht unwillkürlich immer dann, wenn mir Menschen begegnen, die eine schier unglaublich klingende Agenda verfolgen.

Glaubt der Papst also an Gott? Diese Frage zu beantworten steht mir selbstverständlich nicht zu.

Glaubt die FDP an E-Fuels?

Obwohl ich es natürlich nicht weiß, denke ich, sie tut das nicht.
Es geht hier, anders als bei der Frage nach Gott, eben auch um wissenschaftliche Erkenntnisse. Es geht um Mathematik, um Ressourcen, um Zeit und um, ja eben, um Politik.
Und bevor jetzt die Einwände sprudeln von wegen, auch die Wissenschaft weiß nicht alles. Ja, das ist so, das war so und wird auch immer so bleiben. Es kommt zu Irrtümern und zu Fehlern, sicherlich. Aber ein System mit Annahmen, Hypothesen, Theorien und schließlich die Möglichkeit, die Welt ein wenig genauer zu erklären, ist allemal besser, als daran zu glauben, es sei eben doch ganz anders.

Es geht also nicht um die Frage, glaubt die FDP an E-Fuels, es geht um das Mysterium Wissenschaft versus Politik. Und hier tut sich meines Erachtens die Freiheitlich Demokratische Partei Deutschlands in den letzten Jahren besonders hervor.

E-Fuels: Strategie oder Wirklichkeitsverleugnung?

Der aktuelle Fall von Wirklichkeitsverleugnung und Klientelpolitik lässt eine Menge Menschen ratlos zurück. Hatten sich die Parteien der aktuellen Regierung doch darauf geeinigt, es mit dem Klimawandel ein wenig ernster zu nehmen. Europaweit sollte die Neuzulassung für Verbrennermotoren ab 2035 untersagt werden. Alles war vorbereitet. Kommissionen hatten getagt, diskutiert und sich schließlich auf eine Abstimmungsvorlage geeinigt (1).

Ab 2035 sollten keine Verbrennermotoren für leichte Nutzfahrzeuge und Pkw zugelassen werden. Auf Drängen der Konservativen, zu denen die faktisch FDP gehört, gelangte ein Schlupfloch in die Abstimmungsvorlage: ” Innovative Technologien wie die Erzeugung von E-Fuels mit CO2-Gewinnung aus der Luft könnten, wenn sie weiterentwickelt werden, Perspektiven für eine erschwingliche klimaneutrale Mobilität bieten. Die Kommission sollte daher den Fortschritt des Innovationsstands in diesem Sektor als Teil ihres Fortschrittsberichts verfolgen.” (1)

Über diesen Vorschlag sollte demnächst abgestimmt werden. In die Erarbeitung flossen alle Stimmen mit ein, so auch die der FDP.

Und stattdessen?

Nun verfällt der Deutsche Minister für Digitales und Umwelt, Volker Wissing (FDP) plötzlich auf den Gedanken, dies sei ihm nicht weitreichend genug. Herr Wissing möchte in Schlagdistanz zur Abstimmung eine weiterreichende Formulierung zur Zulassung von E-Fuels erreichen.

Die Tatsache betrachtend, dass solche Einigungen von eben dieser Tragweite eine Menge Arbeit und Zeit benötigen – der vorliegende Vorschlag datiert immerhin in seiner finalen Fassung aus dem Jahre 2021 und wurde 2019 gestartet, werte ich das Vorgehen der FDP schlicht und ergreifend als Erpressung – m,al ganz abgesehen davon, ob es überhaupt möglich ist, einen solchen Vorschlag mal eben zu erweitern.

Auf der anderen Seite ist es natürlich auch möglich, dass die sogenannten E-Fuels tatsächlich für eine positive Veränderung des Klimawandels stehen.

Was sind denn diese E-Fuels eigentlich?

Kurz gesagt sind E-Fuels wie herkömmliche fossile Treibstoffe. Sie speichern ein hohes Maß an Energie und können praktisch 1:1 in aktuellen Verbrennermotoren eingesetzt werden. Im Unterschied zu den aktuellen Treibstoffen werden sie jedoch künstlich hergestellt aus CO2 Wasserstoff. Beim Verbrennen stoßen sie optimalerweise eben diese Stoffe wieder aus (der Wasserstoff kommt dabei als Wasser aus dem Auspuff).
So betrachtet erfüllt der E-Fuel die Maßgaben für Klimaneutralität. Es wird kein CO2 emittiert, das nicht vorher schon in der Atmosphäre gekreist ist.

Warum ist es womöglich dennoch eine absurde Idee, E-Fuels in Pkws zu verwenden?

Einfache Antwort:

Die Energiebilanz, das heißt, das Verhältnis zu der in die Produktion gesteckten Energie zu derjenigen Energie, die später auf die Straße gebracht wird, ist absurd schlecht.

Nicht ganz so einfache Antwort:

Da es sich bei den E-Fuels nicht um einen primären Energieträger, d.h. um “Energie in ursprünglicher, noch nicht weiter verarbeiteter Form” (2) handelt, geht für die Herstellung mit jedem anfallenden Schritt Energie verloren. Bei E-Fuel ist die Herstellung ein zumindest doppelter Prozess. Zunächst muss Wasser hydrolisiert, d.h. in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten werden. In einem nächsten Schritt wird dann aus dem Wasserstoff und dem CO2 der E-Fuel synthetisiert.
Laut einer Studie schaffen es lediglich zwischen 16% und 48% der aufgewendeten Energie schließlich auf die Straße. Der Energieeinsatz zur Herstellung von E-Fuels liegt im Vergleich zu einer direkten Elektrifizierung, z.B. über batterie-elektrischen Strom oder Wasserstoff, beim mindestens Doppelten bis hin zum Zehnfachen. (3)
Diese Tatsache allein wird übrigens auch auf der Lobby-Seite https://www.e-fuels.de/ nicht bestritten. Es ist auch der E-Fuel-Lobby klar, dass zu Produktion von E-Fuels ausschließlich Energie aus regenerativen Quellen genutzt werden darf.
Das Dilemma: Weder aktuell noch wohl in absehbarer Zeit – wenn überhaupt je – wird in Europa derart viel Strom aus regenerativen Quellen erzeugt, als dass es nach dem regulären Verbrauch reichen würde, E-Fuels herzustellen.
Ausweg aus diesem Dilemma für die Befürworter: Produktion der Energie in Ländern mit einem Überschuss aus Wind- und Solarenergie. Hierfür wird gern der globale Süden vorgeschlagen.
Mindestens zwei Dinge liegen auf der Hand, die zumindest Zweifel an dieser Strategie lassen.
1. Aktuell, und auch hier zeichnet sich keine Änderung ab, scheint es nicht sinnvoll, sich in einem solchen Maßstab abhängig von anderen Staaten zu machen. Die Folgen unserer Abhängigkeit von einer lupenreinen Demokratie (4) können wir aktuell global erleben. Und obschon die Deutsche Politik dabei zu sein scheint, diesen Fehler mit China zu wiederholen (Stichwörter Solarkraft, Windenergie), liegt es auf der Hand, hier wie da von einem möglichen Fehler zu sprechen oder zumindest äußerst vorsichtig zu sein.
2. Den zweiten Grund liefern die Lobbyisten in ihrem Video (5) auf der Seite gleich selber, ohne ihn direkt zu benennen. Hier wird den E-Fuels der Vorteil zugesprochen, es sei nicht notwendig, eine neue Infrastruktur zu schaffen, da man auf der vorhandenen aufbauen könne (Tankstellen und so weiter). Nicht erwähnt bleibt hierbei, dass es aktuell keine Trassen für den Energietransport gibt. Hier ziehen die Lobbyisten das vorhandene Transportnetz aus Tankern und Lkw heran. Für mich beißt sich die Katze dabei allerdings in den Schwanz, denn Tanker und Schwerlasttransport müssen ihrerseits mit den entsprechenden E-Fuels betrieben werden, was die Energiebilanz der entsprechenden Stoffe ein weiteres Mal reduzieren dürfte.

Es stinkt

Einmal ganz ab von den energetischen Fragen, stimmt der Gesprächspartner im Interview des E-Fuel-Werbevideos zu, dass die Abgase der E-Fuels kein bisschen anders riechen, als die der fossilen Vorgänger. Zudem konstatiert er, E-Fuels eigneten sich nicht für alle Arten des Verkehrs. Im Stadtverkehr wären selbstredend batterie-elelekrtische oder ähnliche Antriebsvarianten zu bevorzugen, ein Ausbau des ÖPNV erstrebenswert, führt er weiter aus. Gleichzeitig propagiert er jedoch, die Menschen nicht umerziehen zu wollen und ihnen die Möglichkeit zu überlassen, selbst über die Antriebsart ihrer Autos zu entscheiden.

An dieser Stelle darf sich einjedy fragen, ob es nicht allein aus emissionsseitiger Sicht bereits absolut inakzeptabel ist, Verbrennermotoren länger als unbedingt nötig in Ballungsräumen zuzulassen? Denn sind wir einmal ehrlich, über den Schaden für die Umwelt und die aktuelle Unmöglichkeit hinaus, Energie für all die Verbrenner zu generieren, damit sie mit E-Fuels weiterfahren könnten, wäre es doch ein Segen, in Ballungsräumen endlich einmal wieder klare Luft atmen zu können. Man stelle sich vor: Cafés an der Straße, auf denen Fahrzeuge mehr oder weniger flüster-leise und ohne Feinstaub, NOx etc. vorbeigleiten.
Ist es nicht ein Traum?

Und nun?

Für mich scheint klar, ob der Papst nun an Gott glaubt oder auch nicht, die FDP glaubt nicht an E-Fuels.
Ihre Beweggründe?
Darüber wird in letzter Zeit viel gestritten und geschrieben. Und ob es nun ein letzter (untauglicher) Versuch ekelhafter Klientelpolitik ist oder der unbeirrte Glaube, es wird sich schon finden. Klar ist mir: Herr Wissing und seine Gesinnungsgenossen dürfen auf keinen Fall damit durchkommen, auf dem Rücken sogenannter Technologieoffenheit den Klimawandel weiter zu forcieren.
Mein Wunsch an dieser Stelle: Ein Kanzler mit Durchsetzungskraft und -willen, der dieses unwürdige Tun eines seiner Minister auf europäischer Ebene stoppt.

(1) Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/631 im Hinblick auf eine Verschärfung der CO2 Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge im Einklang mit den ehrgeizigeren Klimazielen der Union.
(https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:870b365e-eecc-11eb-a71c-01aa75ed71a1.0015.02/DOC_1&format=PDF)

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Prim%C3%A4renergie

(3) Ueckerdt, Falko & Bauer, Christian & Dirnaichner, Alois & Everall, Jordan & Sacchi, Romain & Luderer, Gunnar. (2021). Potential and risks of hydrogen-based e-fuels in climate change mitigation. Nature Climate Change. 11. 1-10. 10.1038/s41558-021-01032-7.

(4) “Ich habe nichts daran abzustreichen. Ich glaube, dass er ernsthaft sein Land auf eine wirkliche Demokratie hin orientiert. Dass da noch eine Menge zu tun ist, weiß niemand besser als er selber.” Nachzulesen: https://www.deutschlandfunk.de/gerhard-schroeder-putin-weiss-dass-er-russland-100.html

(5) https://youtu.be/4AA46NCfA48

cheffe

cheffe

Geboren in Berlin - Aufgewachsen, Schule und Uni in in Berlin -Job in Berlin - Berliner eben! HomeOffice mit Blick auf die Straße. Unterwegs im Kiez. Oft ratlos über meine Mitmenschen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google

Cookie Consent mit Real Cookie Banner